top of page

Stress und Lehrer*innengesundheit: Warum Achtsamkeit und Selbstfürsorge unverzichtbar sind

Aktualisiert: 24. Nov. 2024

Lehrkräfte spielen eine entscheidende Rolle in unserer Gesellschaft. Sie gestalten nicht nur den Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen, sondern beeinflussen auch deren persönliche Entwicklung. Dabei wird oft übersehen, wie herausfordernd der Beruf ist – nicht nur emotional, sondern auch körperlich und mental. Stress ist in vielen Schulen und Klassenzimmern allgegenwärtig, und das Thema Lehrer*innengesundheit rückt zwar zunehmend in den Fokus - getan wird in der Realität aber noch nicht genug. Umso wichtiger ist es, dass Lehrer*innen selbst proaktiv Selbstfürsorge betreiben.


Foto: Wix



 

Ursachen von Stress bei Lehrkräften


Die Ursachen von Stress im Lehrerberuf sind vielfältig. Lehrkräfte sind täglich mit einer hohen Verantwortung konfrontiert: Sie müssen den Bildungsplan erfüllen, die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen berücksichtigen, soziale Konflikte lösen und zugleich administrative Aufgaben bewältigen. Diese Aufgabenfülle kann zu chronischem Stress führen, der sich langfristig negativ auf die Gesundheit auswirkt.


Zu den häufigsten Stressoren gehören:


  • Zeitdruck und Arbeitsbelastung: Zeitdruck und Arbeitsbelastung sind ständige Begleiter im Lehrberuf. Lehrer*innen müssen Klassenarbeiten vorbereiten, Unterrichtsmaterialien erstellen und dabei auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen eingehen – und das oft unter engen Zeitvorgaben. Diese Fülle an Aufgaben lässt kaum Raum für Erholungsphasen, geschweige denn für kreative Unterrichtsgestaltung oder persönliche Reflexion. Der Druck, alles unter einen Hut zu bringen, führt häufig zu Überforderung und Stress. Besonders die Anpassung des Unterrichts an die unterschiedlichen Lernniveaus der Schüler*innen erfordert viel Zeit und Energie. Dieser Balanceakt zwischen administrativen Pflichten und pädagogischem Anspruch lässt Lehrer*innen oft mit dem Gefühl zurück, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können.

  • Verhaltensauffälligkeiten und Konflikte: Schüler*innen mit Verhaltensproblemen fordern viel Aufmerksamkeit und Geduld, was den Fokus von anderen Lernenden ablenken kann. Diese Situation erfordert nicht nur individuelle Interventionen und Strategien, sondern auch eine konstante emotionale Belastung für die Lehrkräfte, für die es jedoch keine Supervision gibt. Zusätzlich müssen Lehrer*innen häufig den Kontakt zu den Eltern der betroffenen Schüler*innen suchen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Dieser Dialog kann ebenfalls belastend sein, da er manchmal auf Widerstand oder Missverständnisse stößt.

  • Fehlende Pausen im Schulalltag: Oft haben Lehrer*innen im Schulalltag keine ausreichenden Pausen bzw. sie trauen sich nicht diese einzufordern. Pausengespräche fordern Lehrer*innen oft zusätzlich heraus. Statt sich in der kurzen Zeit zwischen den Unterrichtsstunden erholen zu können, werden sie häufig von Schüler*innen oder Kolleg*innen angesprochen, um Fragen zu klären oder Probleme zu besprechen. Diese Gespräche können emotional und geistig sehr fordernd sein. Lehrer*innen haben dadurch wenig Zeit, sich kurz zu sammeln und neue Energie für die nächsten Aufgaben zu tanken. Die fehlenden Ruhephasen verstärken das Gefühl ständiger Verfügbarkeit.

  • Fehlende Unterstützung: Viele Lehrer*innen berichten von einem Mangel an kollegialer oder institutioneller Unterstützung, was den Eindruck verstärkt, die zahlreichen Herausforderungen des Schulalltags allein bewältigen zu müssen. Leider trügt dieser Eindruck oft nicht. In vielen Schulen zerfallen Kollegien in verschiedene Gruppen, die mitunter von der Schulleitung bewusst oder unbewusst gegeneinander ausgespielt werden. Dies schafft ein Klima des Misstrauens und der Konkurrenz, das den Zusammenhalt unter den Lehrer*innen schwächt. Mobbing und Gaslighting sind in solchen Situationen keine Seltenheit, was nicht nur die psychische Gesundheit der Betroffenen, sondern auch die gesamte Arbeitsatmosphäre massiv beeinträchtigt. Solche belastenden Dynamiken führen dazu, dass Lehrer*innen sich zunehmend isoliert fühlen und Unterstützung – sowohl auf kollegialer Ebene als auch von der Schulleitung – vermissen.

  • Nicht mehr zeitgemäße Unterrichtsformen: Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich unsere Gesellschaft rasant verändert, doch viele Unterrichtsformen in Schulen haben sich kaum an diese Entwicklung angepasst. Überholte Unterrichtsformen behindern die aktive Beteiligung der Schüler*innen, die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen und die Vorbereitung auf eine zunehmend vernetzte und komplexe Zukunft. Dass Schüler*innen nach wie vor in enge Reihen von Schulbänken gezwängt werden und stundenlang den Lehrkräften passiv lauschen sollen, schadet nicht nur ihrer Gesundheit, sondern auch der Lernatmosphäre insgesamt, was sich auch auf die Gesundheit der Lehrer*innen auswirkt.

  • Mangelnde Ausbildung der Führungskräfte: In vielen Fällen werden Lehrkräfte, die sich als besonders engagiert, fachlich kompetent oder konform erwiesen haben, in Leitungspositionen befördert – ohne eine fundierte Ausbildung in den Bereichen Personalführung, Organisationsentwicklung oder Krisenmanagement zu erhalten. Diese Fähigkeiten sind jedoch essenziell für eine effektive Führung, insbesondere in einer schulischen Umgebung, die durch vielfältige Herausforderungen geprägt ist.

  • Zunahme administrativer Aufgaben: Neben dem Unterricht und der Schülerbetreuung fallen stetig immer mehr Verwaltungsaufgaben an, die oft außerhalb der regulären Arbeitszeiten erledigt werden müssen.

  • Mangelnde Wertschätzung und fehlender Respekt: In einer zunehmend individualisierten Gesellschaft werden Autoritäten, einschließlich Lehrer*innen, nicht mehr in gleichem Maße respektiert wie früher. Schüler*innen hinterfragen häufiger traditionelle Hierarchien und testen dabei Grenzen immer weiter aus. Lehrer*innen stehen zunehmend vor herausfordernden Verhaltensweisen, die von Ungehorsam über offene Respektlosigkeiten bis hin zu aggressivem Verhalten reichen. Gleichzeitig erwarten viele Eltern, dass Lehrer*innen nicht nur für den schulischen Erfolg ihrer Kinder verantwortlich sind, sondern auch deren soziales Verhalten und persönliche Entwicklung maßgeblich beeinflussen. Entspricht die Leistung oder das Verhalten der Kinder nicht den elterlichen Erwartungen, werden Lehrer*innen oft schnell als Sündenböcke herangezogen. Gerade bei Konflikten mit Eltern fehlt es Lehrer*innen oft an der notwendigen Rückendeckung durch die Schulleitung. Diese unzureichende Unterstützung trägt dazu bei, dass Lehrer*innen sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Wenn Schulleitungen in schwierigen Situationen nicht hinter ihren Lehrkräften stehen, kann dies das Vertrauen und die Zusammenarbeit im Kollegium untergraben.

  • Lärmbelastung: In vielen Schulen herrscht eine ständige Geräuschkulisse, die aus verschiedenen Quellen stammt: von lebhaften Pausengesprächen über den Lärm im Klassenzimmer bis hin zu den Geräuschen von Fluren und Gemeinschaftsräumen. Veraltete Schulgebäude sind zudem nicht für die Lärmminderung gestaltet.


Folgen von chronischem Stress


Wenn Stress über einen längeren Zeitraum anhält, ohne ausreichend Bewältigungsstrategien zu finden, kann dies erhebliche gesundheitliche Folgen haben. Körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder Verdauungsprobleme treten häufig auf. Auf psychischer Ebene können sich Burnout, Depressionen oder Angstzustände entwickeln.


Chronischer Stress schwächt zudem das Immunsystem, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führt. Für viele Lehrkräfte bedeutet dies, dass sie häufiger krank werden und gleichzeitig das Gefühl haben, sich keine Auszeit gönnen zu können, da der Schulbetrieb weiterlaufen muss.




Selbstfürsorge und Prävention: Strategien für mehr Lebensqualität


Probleme, die Lehrkräfte im Schulalltag belasten, liegen, wie gesehen, häufig außerhalb ihres Einflussbereichs. Faktoren wie unzureichende finanzielle Mittel, überfüllte Klassenräume, veraltete Methoden oder gesellschaftliche Herausforderungen sind oft von gesellschaftlicher sowie politischer Natur und können nur durch geeignete politische Maßnahmen angegangen werden.


Um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben, ist es für Lehrkräfte daher entscheidend, proaktiv für ihre eigene Gesundheit zu sorgen. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für alle Lehrkräfte, um den Herausforderungen des Berufsalltags standzuhalten. Hier einige Ansätze, wie Stress reduziert und das Wohlbefinden gestärkt werden kann:


  • Achtsamkeit im Alltag integrieren

    Achtsamkeitstechniken wie Meditation, Atemübungen oder einfaches Innehalten im Alltag können helfen, den Stresspegel zu senken. Bereits ein paar Minuten am Tag reichen aus, um das Nervensystem zu beruhigen und die Resilienz gegenüber Stressoren zu stärken.

  • Grenzen setzen und "Nein" sagen lernen

    Gerade im Lehrerberuf ist es oft schwer, Grenzen zu setzen, da das Bedürfnis, für Schüler*innen und Kollegen*innen da zu sein, stark ist. Doch zu lernen, "Nein" zu sagen und klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen, ist essenziell, um nicht auszubrennen.

  • Einhaltung von Pausen zwischen den Unterrichtsstuden

    Ein zentraler Faktor, um den Tag erfolgreich zu meistern, ist das Einlegen regelmäßiger Pausen. Vielleicht haben Sie einen Rückzugsort im Lehrerzimmer oder an einem anderen ruhigen Ort in Ihrer Schule? Alternativ kann ein kurzer Spaziergang während der Pause dabei helfen, abzuschalten und neue Energie zu tanken. So schaffen Sie sich Momente der Ruhe und Erholung.

  • Gesunde Routinen im Alltag entwickeln

    Körperliche Aktivität, sei es ein Spaziergang in der Natur, Yoga oder Sport, ist eine hervorragende Methode, um Stress abzubauen. Bewegung fördert die Produktion von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen, und hilft dabei, Verspannungen zu lösen. Gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf tragen zudem wesentlich zur körperlichen und geistigen Gesundheit bei.

  • Soziale Unterstützung suchen

    Der Austausch mit Kolleg*innen kann eine wertvolle Ressource sein, um Stress zu bewältigen. Es kann entlastend wirken, sich mit Menschen zu unterhalten, die ähnliche Erfahrungen machen. Offene Gespräche über die gemachten Erfahrungen und Gefühle fördern zudem das Verständnis und die gegenseitige Unterstützung.

  • Projektmanagement und der Einsatz von KI

    Es ist lohnend, sich mit Projektmanagement-Methoden vertraut zu machen. Diese helfen nicht nur dabei, den Alltag zu strukturieren, sondern können auch Stress deutlich reduzieren. Wenn Lehrkräfte klar wissen, welche Aufgaben wann zu erledigen sind und über welche Ressourcen sie verfügen, fühlen sie sich weniger überfordert. Sie gewinnen die Kontrolle über ihre Arbeitsabläufe zurück und können effizienter arbeiten, ohne sich dabei zu überlasten. Künstliche Intelligenz (KI) bietet Lehrkräften zudem innovative Möglichkeiten, den Schulalltag effizienter zu gestalten. Tools wie fobizz unterstützen dabei, digitale Kompetenzen zu erweitern und neue Technologien in den Unterricht zu integrieren. KI kann auch bei der Erstellung von Lehrmaterialien helfen, indem sie z.B. individualisierte Arbeitsblätter erstellt oder Quizfragen automatisch generiert. Dadurch gewinnen Lehrkräfte wertvolle Zeit für pädagogische Aufgaben und kreative Unterrichtsgestaltung. Der Einsatz von KI ist ein Schritt, der nicht nur den Unterricht erleichtert, sondern auch Schüler*innen gezielt fördert.

  • Fortbildungen zum Thema Stressmanagement

    Viele Lehrer*innen haben nie gelernt, wie sie mit den besonderen Stressbelastungen ihres Berufs umgehen können. Fortbildungen, die sich auf Selbstfürsorge, Stressbewältigung oder Achtsamkeit konzentrieren, können daher sehr hilfreich sein.


Die vorgeschlagenen Maßnahmen wirken auf den ersten Blick einfach und leicht umsetzbar. Doch in der Praxis kann die Umsetzung durchaus herausfordernd sein. Veränderungsprozesse benötigen nämlich Zeit, auch wenn viele Angebote im Internet etwas anderes versprechen. Um neue neuronale Verknüpfungen im Gehirn zu bahnen, ist regelmäßiges Training und Zeit erforderlich. In solchen Prozessen kann professionelle Unterstützung hilfreich sein. Bei anhaltendem Stress oder emotionalen Belastungen bieten Supervision oder psychologische Beratung die Möglichkeit, das Erlebte zu reflektieren und passende Lösungsansätze zu entwickeln.


Die Rolle der Schulleitungen und Institutionen


Neben individuellen Maßnahmen spielt auch die institutionelle Unterstützung eine wesentliche Rolle. Schulleitungen sollten die Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen als Priorität betrachten und eine Arbeitskultur fördern, die Selbstfürsorge und Pausen ermöglicht. Dazu gehören klare Regelungen zur Arbeitszeit, Fortbildungsangebote und ein wertschätzender Umgang mit den Herausforderungen, denen Lehrkräfte täglich gegenüberstehen.


Zudem können Schulen Netzwerke schaffen, in denen sich Lehrkräfte gegenseitig unterstützen. Ein solches kollegiales Umfeld, in dem Sorgen und Herausforderungen offen angesprochen werden können, trägt wesentlich dazu bei, Stress zu reduzieren und die Lehrer*innengesundheit zu fördern.


Fazit: Lehrer*innengesundheit muss Priorität haben


Die Gesundheit von Lehrkräften ist nicht nur für die Einzelnen selbst von Bedeutung, sondern auch für das Bildungssystem und unsere Gesellschaft als Ganzes. Stress und Überlastung wirken sich nicht nur auf die Lehrkräfte aus, sondern auch auf die Qualität des Unterrichts und die Entwicklung sowie das Wohlbefinden der Schüler*innen.


Ein achtsamer Umgang mit sich selbst, das Setzen von Grenzen und die Unterstützung durch das Kollegium und die Institution sind essenziell, um langfristig gesund und motiviert im Lehrberuf zu bleiben. Indem sowohl die Lehrer*innen als auch die Schulen Maßnahmen zur Stressreduktion ergreifen, kann ein nachhaltiges Arbeitsumfeld geschaffen werden, das allen zugutekommt – Lehrenden wie Lernenden.


Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine exportorientierte Gesellschaft sind, die stark auf Innovation angewiesen ist. In einer globalisierten Welt ist es von zentraler Bedeutung, neue Ideen und Technologien zu entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben und eine sozialere Welt zu schaffen. Um erfolgreich zu sein, müssen wir in Bildung, Forschung und Entwicklung investieren, den Wissensaustausch fördern und eine kreative Kultur unterstützen. Nur so können wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen – und dieser Prozess beginnt bereits in den Schulen.

Comentários


bottom of page