Was haben Vulkane mit Psychologie zu tun?
- jpasson4
- 29. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Nov. 2024
Auf den ersten Blick scheinen Vulkane und Psychologie wenig miteinander zu tun zu haben, doch bei genauer Betrachtung offenbart sich eine spannende Parallele. In der ersten Folge von "Geography meets Psychology" werde ich genau dieser Verbindung auf den Grund gehen.

Der Kīlauea auf der zu Hawaii gehörenden Insel Big Island: Ein aktiver Schildvulkan auf Hawaii, bekannt für seine sanften Lavaflüsse.
Foto: Passon
Vulkane und Emotionen
Vulkane sind beeindruckende Naturphänomene, die durch das Aufsteigen von Magma aus dem Erdinneren entstehen. Sie bilden sich an den Schwachstellen der Erdkruste, wo heiße, flüssige Gesteinsschmelze (Magma) nach oben drängt und als Lava an die Oberfläche tritt. Vulkane können sowohl auf dem Festland als auch unter Wasser entstehen und sind oft an den Rändern von tektonischen Platten zu finden wie der Stromboli in Italien. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, wie der Kīlauea auf der zu Hawaii gehörenden Insel Big Island, der sich über einem sogenannten Hotspot bildet.
Vulkanausbrüche variieren in ihrer Intensität, von leichten Lavaströmen bis hin zu explosiven Ausbrüchen, die Asche, Gestein und Gas in die Atmosphäre schleudern. Diese Ausbrüche haben nicht nur landschaftliche, sondern auch klimatische Auswirkungen, indem sie das Wetter beeinflussen und sogar globale Temperaturveränderungen hervorrufen können. Trotz ihrer zerstörerischen Kraft sind Vulkane auch Lebensspender, da sie fruchtbaren Boden schaffen und wertvolle Mineralien freisetzen.
Vulkane können eine gefährliche Ruhe vortäuschen. Ein schlafender Vulkan wirkt nach außen ruhig und unscheinbar, doch im Inneren baut sich unaufhörlich Druck auf. Der Druck von aufsteigendem Magma baut sich allmählich auf, unsichtbar für das bloße Auge, bis der Vulkan schließlich entweder mit einer gewaltigen Eruption ausbricht oder die Lavaströme sich langsam über die Landschaft ergießen wie beim Kīlauea. Der Kīlauea ist übringens der aktivste Vulkan der Welt. Ähnlich verhält es sich, wenn wir Menschen Emotionen wie Wut, Angst oder Trauer verdrängen und nicht bewusst verarbeiten. Diese ungelösten Emotionen sammeln sich an, vergleichbar mit der Magma eines Vulkans, die unter der Oberfläche brodelt.

Der Kīlauea bei Nacht: Sein ständiges, ruhiges Grollen und die fortwährenden Lavaausstöße zeigen die dynamische Natur der Erde und die Schöpfung neuer Landschaften.
Foto: Passon
Wenn wir Gefühle wie Wut, Angst oder Trauer verdrängen und uns nicht mit ihnen auseinandersetzen, entstehen ähnliche innere Spannungen. Wir können sie zwar eine Zeit lang ignorieren, was den Anschein einer gewissen Ruhe vermittelt, doch langfristig kann dies das seelische Gleichgewicht erheblich beeinträchtigen. Der innere Druck wächst stetig an, bis er sich eines Tages entlädt – genau wie bei einem Vulkan, der unter immensem Druck ausbricht und Chaos hinterlässt. Bei uns Menschen können unterdrückte Emotionen plötzlich in heftigen Ausbrüchen hervorbrechen – wir „explodieren“ förmlich - ähnlich wie der Stromboli, der mit ohrenbetäubendem Lärm und zerstörerischer Kraft ausbrechen kann - mit fürchterlicher Lautstärke oder in zerstörerischer Wucht in Form unerwarteter Wutausbrüche. Alternativ kann sich der innere Druck auch schleichend bemerkbar machen - vergleichbar mit dem Kīlauea, der seine Lava langsam und unaufhaltsam fließen lässt. In solchen Fällen äußern sich die unterdrückten Emotionen allmählich etwa in Form von Angstzuständen oder körperlichen Beschwerden wie Verspannungen oder Schmerzen.
Je länger wir unsere Emotionen unterdrücken, desto größer wird die Gefahr, dass sie sich auf destruktive Weise entladen. So wie ein Vulkan durch den ständigen Druckaufbau irgendwann seine explosive Kraft freisetzt, können auch unterdrückte Emotionen das seelische und körperliche Gleichgewicht nachhaltig stören. Wir glauben oft, dass wir durch das Nichtbeachten oder gar Unterdrücken von Emotionen uns selbst und unserem Umfeld etwas Gutes tun. Doch das ist ein großer Irrtum. Auch unterdrückte Gefühle bleiben im Inneren aktiv, entfalten ihre Wirkung und manifestieren sich auf subtile Weise in unserem Verhalten, unserer Körpersprache und unseren Reaktionen. Besonders sensible Menschen nehmen diese unterdrückten Emotionen oft sehr intensiv wahr, auch wenn sie sie nicht immer klar einordnen können. Emotionen lassen sich nicht einfach verstecken – sie zeigen sich und beeinflussen die Atmosphäre um uns herum.
Deshalb ist es entscheidend, sich mit den eigenen Gefühlen offen und ehrlich auseinanderzusetzen. Indem wir unsere Emotionen bewusst wahrnehmen und verarbeiten, schaffen wir einen gesunden Ausgleich, um eine gesunde Balance zu wahren – bevor der „innere Vulkan“ zum Ausbruch kommt.

Der Stromboli, Liparische Inseln: Ein majestätischer Schichtvulkan, der mit beeindruckender Regelmäßigkeit ausbricht und dabei seine feurige Lava und Asche in den Himmel schleudert. Ein faszinierendes Schauspiel der Natur, das die unbändige Kraft der Erde verdeutlicht.
Foto: Shutterstock
Umgang mit Emotionen
Unsere Seele ist unermüdlich darin, nach "Triggern" im Alltag zu suchen – kleinen Auslösern, die uns dazu zwingen, all das Verdrängte und Schmerzhafte ans Licht zu holen. Dieser innere Mechanismus dient letztlich einem Zweck: die Heilung von ungelösten, tief verborgenen Emotionen. Auch wenn es zunächst unangenehm erscheint, ist es ein natürlicher Prozess, der notwendig ist, um seelisches Gleichgewicht und innere Freiheit zu erlangen.
Eine gesunde Art mit diesen Emotionen umzugehen, besteht vermutlich nicht darin, sie wegzudrücken oder zu leugnen. Doch das bedeutet auch nicht, sie ungefiltert auszuleben – zum Beispiel durch einen Wutanfall oder aggressive Ausbrüche. Emotionale Reife erfordert etwas anderes: die Fähigkeit, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Es geht darum, schmerzhafte Emotionen anzuerkennen und ihnen Raum zu geben, anstatt sie zu verdrängen. Wenn wir eine Emotion in uns aufsteigen fühlen, sollten wir sie einfach da sein lassen, ohne zu versuchen, sie sofort zu bekämpfen oder zu analysieren. Indem wir die Emotionen bewusst fühlen und durchleben, können sie sich auf natürliche Weise auflösen. Dieser Prozess dauert oft nur wenige Minuten – viel weniger, als wir manchmal befürchten.
Zu Beginn mag es hilfreich sein, sich einen geschützten Raum zu schaffen, in dem wir uns sicher genug fühlen, diese Emotionen vollständig zu durchfühlen. Vielleicht brauchen wir auch etwas Mut, um uns diesem inneren Erleben zu stellen, insbesondere wenn die Gefühle intensiv sind oder uns überwältigend erscheinen. Mit der Zeit und etwas Übung wird es jedoch leichter. Wir können lernen, Emotionen zu durchfühlen, ohne dass sie uns von unseren täglichen Aufgaben ablenken. Es ist möglich, im Hintergrund unserer Gedanken und Aktivitäten Emotionen zu verarbeiten, während wir weiterhin unseren Verpflichtungen nachgehen. Diese Fähigkeit, Emotionen zuzulassen, ohne dass sie unser Leben dominieren, verleiht uns innere Stärke und Gelassenheit. Sie hilft uns, nicht nur emotional stabil zu bleiben, sondern auch unser volles Potenzial auszuschöpfen – sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Alltag.
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